Klemmbaustein der 60er Jahre: Rasti

Klemmbaustein der 60er Jahre: Rasti

Lesedauer 9 Minuten

Rasti ist eine Klemmbausteinmarke, die Ende der 60er Jahre auf den Markt kam und Ende der 80er Jahre wieder verschwand. Dies ist die Geschichte, wie ich Rasti entdeckte und dabei war, als fast 50 Jahre nach Ende der Produktion neue Steine hergestellt wurden.

Im Januar 2025 erreichte mich eine Mail von Manfred. Manfred ist Autor eines Blogs über Rasti und hatte bei YouTube mein Video über Idema gesehen. Sein Vorschlag: Die Marke Rasti hätte auch eine sehr spannende Geschichte und würde sich ebenfalls für ein Video eignen.

Das erste was ich also getan habe ist, mir ein Konvolut an Bausteinen bei Kleinanzeigen zu besorgen, um ein wenig mit den Steinen herumzuprobieren.

Die Steintypen im Konvolut

In meiner Kiste befinden sich nun verschiedene Steine.

Außerdem habe ich ein paar Kettenglieder und eine Achse mit zwei Felgen aber nur einem Reifen.

Baut man zwei Plates aufeinander, erhält man die Höhe eines Bricks. Die größte Plate ist 2 x 24 Noppen groß, damit man ganze Toreinfahrten überspannen.

Zwei Plates übereinander ergeben die Höhe eines Bricks

Farblich gibt es die Steine in gelb, weiß, dunkelblau, rot, hellblau, schwarz, transparent, transparentes rot und transparentes gelb. Durch Manfreds Blog weiß ich, dass es außerdem noch zwei Grüntöne, Orange, zwei weitere Rottöne, sowie Grau- und Beigestufen gibt.

Rasti rastet ein

Schauen wir uns die Steine mal etwas genauer an und nehmen dafür einen 2×4 Brick. Die 8 Noppen sind innen hohl und man kann durch den Stein somit hindurchschauen. Die Oberseite der Noppen hat eine Art Wulst, die die Noppe oben also dicker macht als unten.

Die Unterseite besitzt in der Mitte einen doppelwandigen Steg, der relativ flexibel ist. Baut man die Steine aufeinander, rastet dieser Steck rund um die Noppen ein. Dabei entsteht ein deutliches „Klick“-Geräusch, welches ich mittlerweile als sehr Ikonisch für die Rasti-Steine empfinde.

Als Material wurde Polypropylen genutzt, in der damaligen Zeit ein weitverbreiteter Kunststoff. Zu Lego oder anderen Klemmbausteinen sind die Rasti-Bausteine aber nicht kompatibel.

Auszug aus einem Katalog

Bei Ebay habe ich mir außerdem einen kleinen Katalog bestellt. Auf der Rückseite ist die Funktionsweise des Einrastens bildlich sehr schön dargestellt.

Die Geschichte von Rasti

Um ein wenig über die Geschichte von Rasti herauszufinden, habe mich mal wieder an das Recherche-Tool vom deutschen Patent- und Markenamt depatis.net gesetzt und geschaut, welche Patente ich so finden kann.

Los ging´s mit einer Einreichung für ein Gebrauchsmuster am 5.6.1962. Erfinder sind Dr. Otto Wolf und Dr. Heinz Hasel, der Geschäftsführer und Inhaber der Formtechnik Dr. Hasel aus Reichartshausen in Baden Württemberg.

Einreichung Gebrauchsmuster DE000001857433U. Quelle: DPMA

Dort wir beschrieben, dass „der Neuerung die Aufgabe zugrunde liegt, hohlkastenförmige Bauelemente zu schaffen, welche […] die Vertikalwände des Kastenkörpers innen nutenförmige oder ähnliche Aussparungen aufweisen oder wulstartige Erhebungen besitzen, die überwiegen horizontal verlaufen und als Gegenkuppelmittel wirksam sind“.

Als eine Beschreibung des Einrastens. Dies sieht man auch schön in der Zeichnung im Anhang.

Zeichnung im Gebrauchsmuster DE000001857433U. Quelle: DPMA

In den folgenden Jahren gibt es weitere (Patent-)Einreichungen, darunter auch in der DDR, Österreich, Spanien, Kanada, Chile, Argentinien usw. im Grunde auf der ganzen Welt.

Das Produktsortiment wuchs und immer mehr Kinder spielten mit den Rasti-Bausteinen. Ende der 80er Jahre war der wirtschaftliche Druck dann so groß, dass man sich nicht mehr gegen Lego durchsetzen konnte. Das System war deutlich verbreiteter und die Dänen hatten ein deutlich höheres Werbebudget.

Doch ein komplettes Ende für Rasti bedeutete das nur in Deutschland, denn in Argentinien gab es noch eine Firma, die weiter Rasti-Bausteine herstellte. Zwar verschwanden sie auch dort eine Zeit lang vom Markt, kehrten 2007 jedoch zurück und sind bis heute fester Bestandteil des argentinischen Marktes.

Wenn Euch die Geschichte von Rasti detaillierter Interessiert, dann schaut gerne auf dem Blog von Manfred vorbei!

Dort gibt es auch einen deutlich größeren Überblick über das Sortiment von Rasti, mit Technic-Sets, Motoren, Beleuchtung und vielem mehr!

Das Rasti-Land

Bei meiner Recherche bin ich im Internet auf das Rasti-Land gestoßen. In meinem Umfeld ist das durchaus bekannt, es liegt im niedersächsischen Salzhemmendorf bei Hildesheim und ist damit aus Kassel für einen Tagesauflug mit Kindern durchaus zu erreichen.

Einen konkreten Bezug zu Rasti konnte ich jedoch zunächst nicht herstellen. Bis ich bei der Bildersuche auf einen Facebook-Post gestoßen bin, in dem erklärt wurde, dass der Park tatsächlich nach den Rasti-Bausteinen benannt wurde. Kurzerhand schrieb ich eine Mail an den Park und bekam auch direkt eine Antwort.

Das Rasti-Land wurde 1973 von Ludwig Ratzke gegründet, weil er sich eine Freizeitattraktion für Kinder in der Region wünschte. Da sein Sohn sehr gerne mit Rasti spielte, entschied er sich für diesen Namen. Tatsächlich gab es im Park auch ein paar Modelle und Bauten aus Rasti-Bausteinen, welche ein wenig an das Miniland im Legoland erinnern.

Heute ist Rasti der Name des Maskottchens, eines Hasens, der noch immer für das Rasti-Land wirbt. Von den Rasti-Bausteinen gibt es noch ein paar Restbestände, welche im Souvenir-Shop gekauft werden können.

An dieser Stelle vielen Dank an das Rasti-Land für die tolle Antwort und die Fotos!

Die Formtechnik

Wie oben bereits erwähnt, war Hersteller der Rasti-Bausteine die Formtechnik Dr. Hasel aus Baden Württemberg und auch dort schrieb ich eine Mail hin, ob es vielleicht noch ein paar Infos zur Firmengeschichte gäbe, die für mein Video spannend sein könnten.

Und diese Mail trat etwas los, was ich mir nie hätte erträumen können.

Eine Antwort erhielt ich von Stephan Lutz, Mitglied der Geschäftsleitung und Großneffe des Unternehmensgründers. In einem ersten Telefonat tauschten wir uns aus und Stephan erzählte mir eine ganze Menge über Rasti-Bausteine und die Firmengeschichte. Gegen Ende des Telefonats lud er mich in die Firma ein, es gäbe dort noch ein paar Sachen im Keller, die vielleicht spannend seien sich mal anzuschauen. Manfred, nicht nur als Ideengeber des Videos, sondern auch als Hobby-Chronisten der Rasti-Bausteine, luden wir zu dem Termin auch ein.

Und so trafen wir uns eines Freitags in Reichartshausen bei der Formtechnik.

Firmengebäude der Formtechnik

Alte Sets und Werbematerialien

Auf einem Tisch in einem kleinen Konferenzraum (dem ehemaligen Büro des Unternehmensgründers Dr. Hasel) hatte Stephan eine Sammlung alter, originalverpackter, Rasti-Sets ausgebreitet.

Alte Rasti-Sets

Da ich nur einige Dinge aus dem Flyer oder Manfreds Blog kannte, war das sehr beeindruckend und ich schaute mir die Packungen sehr ausführlich an.

Für mich war auch sehr beeindruckend, wie gut sich Manfred in den Produkten auskannte. Ein Kontakt mit der Formtechnik war bisher nicht zustande gekommen, sodass sein ganzes Wissen auf dem Erwerb von Sets und eigener Recherche bestand. Zu einem Großteil der Packungen konnte er so noch etwas erzählen.

Außerdem gab es einen Ordner mit alten Katalogen und Fotos, darunter bspw. eines von einer Spielwarenmesse, wo man den Stand von Rasti sehen konnte.

Messestand von Rasti

Dann wurde es richtig spannend. Auf dem Tisch stand ein mobiler Projektor, auf dem Stephan uns einen alten Rasti-Werbefilm zeigte. Mit solchen Projektoren war der Vertrieb damals auf Märkten unterwegs, um Werbung für die Rasti-Bausteine zu machen.

Vorführung des alten Rasti-Werbefilms

How to Make Rasti-Bausteine

Stephan führte uns durch die Produktion. Der Betrieb stellt im Spritzgussverfahren verschiedene Bauteile für die Elektrogeräte und Automobilindustrie her und hat mehrere Hallen mit Spritzgussmaschinen. Einen so detaillierten Einblick bekommen zu können ist schon etwas sehr Besonderes und macht definitiv Spaß.

Originale Rasti-Spritzgusswerkzeuge

Dann standen wir vor einer Gelb-Grünen-Spritzgussmaschine, auf der ein altes Rasti-Werkzeug eingebaut war und hellgrüne Rasti-Bausteine produziert wurden.

Hier erblicken 2×4 Rasti-Bricks das Licht der Welt

Als Ausgangmaterial wurde hier ein Natur-ABS genutzt, der mit 3% Farbpartikeln versetzt war, um die hellgrüne Farbe zu bekommen.

Rasti-Baustein aus 2025 und das Granulat, aus dem er entstanden ist.

Der Kunststoff wird als Granulat angeliefert und zunächst getrocknet. Über ein Rohrsystem erreicht er die Maschine und wird dort in einen Trichter eingefüllt. Mit hohem Druck und Hitze wird der Kunststoff aufgeschmolzen und durch eine Schnecke in das eigentliche Werkzeug eingespritzt (daher der Name Spritzguss).

Von Rechts kommen die Schläuche mit dem Granulat, welches im Trichter in der Bildmitte landet und rechts hinter dem gelben Viereck in das Werkzeug gespritzt wird

Das Werkzeug besteht aus zwei Seiten (Ober- und Unterseite des fertigen Bricks) und kann auseinander gefahren werden.

Auf dem Bild zur Brick-Oberseite erkennt man auch die Kanäle, durch die das Plastik in die jeweilige Kavität (die eigentliche Form) gelangt. Dadurch entsteht der typische Anspritzpunkt.

So entsteht der Anspritzpunkt

Der Anguss wird durch einen Roboterarm entnommen, geschreddert und wieder der Produktion zugeführt, die fertigen Steine fallen nach unten aus der Form auf ein Fließband und werden in eine Kiste geleitet.

Noch Warm: Frische 2×4 Rasti-Bausteine in einer Sonderfarbe

Um Besser Fotos und Videos machen zu können, wurde die Maschine zwischendurch angehalten. Ein kleines Highlight für mich war dann, dass ich mal den Knopf für die Produktion drücken durfte.

Von den neuen Steinen habe ich mir ein paar als Andenken mitgenommen, die große Tüte voll hat aber Manfred bekommen, der mit den Steinen große Mocs baut. Auch hier nochmal ein Verweis auf seinen Blog und seine Mocs!

Fazit – Was eine Reise

Diese Recherche ist ein bisschen surreal für mich. Manfred, jemand, den ich gar nicht kenne, schickt mir eine Mail und schlägt mir ein Thema vor. Ich finde die Steine spannend, fange an ein wenig zu recherchieren, schreibe selber zwei Mails und am Ende stehe ich am Geburtsort von Rasti und erlebe, wie nach Jahrzehnten neue Steine vom Band fallen.

Ich glaube, damit das Fazit irgendwie Sinn gibt, muss ich es in zwei Teile aufteilen.

Fazit zum Rasti-System

Das haptische Bauerlebnis mit Rasti finde ich schon sehr besonders. Dieses Einrasten fühlt sich irgendwie gut an und gibt mir direkt das Gefühl von Stabilität und dem Bau etwas festem. Die Auswahl der Sets war groß und die Möglichkeiten mit Motoren und Beleuchtung eigene Sachen zu bauen sind für die damalige Zeit schon sehr ausgeprägt.

Wenn Euch Rasti-Bausteine irgendwo mal begegnen, probiert sie mal aus. Vielleicht findet man einen Schuhkarton voll für ein paar Euro auf dem Flohmarkt oder jemand hat die noch auf dem Dachboden, manchmal gibt es ja Zufälle.

Fazit zu allem Anderen

Was soll ich sagen, das war schon wirklich sehr cool. Es hat natürlich auch viel mit Glück zu tun, im richtigen Moment an die richtigen Leute zu geraten und, die dann auch noch bereit sind, sich die Zeit für einen zu nehmen.

Auch, wenn Manfred mit seiner Idee auf mich zugekommen ist, so hat er sich viel Zeit genommen, mir über Rasti zu erzählen, über seine Erfahrungen als Kind, das Moccen als Erwachsener und seinen Antrieb das System zu dokumentieren und damit auch zu bewahren. Vielen Dank dafür!

Vor allem aber möchte ich Stephan danken, auch für die Vorgespräche am Telefon, aber vor allem für den unvergesslichen Tag in der Formtechnik. Die vielen Eindrücke über das System, die Sets aber auch die Firmengeschichte waren für meine Recherche sehr toll und haben mir einen guten Überblick über das Thema gegeben. Vor allem aber die Produktion von neuen Rasti-Bausteinen hat mich umgehauen.

Das ist eigentlich ja nichts so krasses, Spritzguss passiert in jeder Sekunde millionenfach auf der Welt, aber mit ein paar gebrauchtgekauften Steinen zu starten und am Ende einer Produktion beizuwohnen, die nach Jahrzehnten extra für diesen Besuch gemacht wird, das war schon ein unvergessliches Erlebnis.

Video

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