Polly Steckbausteine
Nachdem ich im vergangenen Jahr mit einer Kiste unbekannter Klemmbausteine konfrontiert wurde, die sich später als Idema-Steine herausstellten, wiederholt sich die Geschichte nun mit einer weiteren Marke, aber einer schwierigeren Recherche. Dies ist die Geschichte, wie ich Polly Steckbausteine kennen gelernt habe.
Wie ich eine neue alte Marke entdeckte
Die Geschichte beginnt mit einem Weihnachtsgeschenk, welches klassischerweise auf einem Dachboden gefunden wurde. Ein kleiner weißer Krankenwagen aus Klemmbausteinen, mit einer Tür an der Rückseite und rotem Kreuz auf der Seite.

Was mir zu erst gar nicht auffiel, doch dann nicht mehr zu übersehen war: Die Noppen sind auf der falschen Seite, das Modell steht auf dem Kopf, aber eigentlich ist das Auto ja doch richtig rum. Auf den Noppen ist das Wort „Polly“ zu erkennen .
Als internetaffiner Mensch hab ich das erstmal direkt in Google geworfen und im Spielzeugbereich findet man erstmal Polly Pocket von Mattel. Die Spur verlief jedoch schnell im Sand. Also erweiterte ich meine Suche um „Klemmbausteine“ und schon ploppten ein Paar Angebote bei Ebay und Kleinanzeigen auf. Dort waren dann von „Polly Hobby International“ oder „Polly Steckfest“ zu lesen.
Durch meine Recherche zu Idema habe ich noch einige Bücher über alte Baukästen zu Hause und stieß dort unter Polly Steckfest auf den Namen Walter Schnabel und den Ort Möglingen, was man als kleinen Durchbruch für die Recherche bewerten könnte.
Natürlich konnte ich nicht widerstehen und bestellte bei Ebay ein Set mit Originalkarton und einem Produktkatalog aus den 70er Jahren.

In Verbindung mit einer altbewährten Recherche bei DEPATIS konnte ich so ein wenig mehr über die Polly Bausteine lernen. Wenn ihr Euch die Dokumente ansehen wollt, gebt einfach die angegebenen Nummern bei Depatis ein.
Zu guter Letzt nutzte ich Website mit Firmendaten wie North Data, um über die Firma und ihre Geschichte einiges herauszufinden.
Da sich Weihnachtsmann und Osterhase wohl persönlich kennen, gab es zu Ostern noch ein paar Einzelsteine, sodass ich nun eine kleine Sammlung habe.
Die Geschichte der Polly Bausteine
Aus der Auslegeschrift (DE000001478440B) geht als Anmeldetag der 11.10.1965 hervor. Als Anmelder ist hier die Firma Polly-Kunststoffprodukte Walter Schnabel, als Erfinder wird jedoch ein Rolf Grözinger angegeben.

In den Patentansprüchen heißt es: „[…] dessen eine Verbauseite mindestens zwei Reihen gleichmäßig verteilt angeordnete Steckzapfen […] tragen […]“. Richtig spannend wird es, als ein Schweizer Patent angeführt wird (CH000000355070A). Der Anmelder Josef Dehm kam mir sehr bekannt vor, denn hier wird Bezug auf Idema genommen.
Im weiteren Textverlauf wird beschrieben, dass sich die Polly-Steine unterscheiden, weil sie passende Aufnahmen für die Zapfen haben und nicht, wie der Idema-Stein, Aufnahmen besitzt, an welchen die Zapfen nur teilweise anliegen. Dies soll eine leichtere Produktion und eine Verbesserung der Klemmkraft und trotzdem eine bessere Haltbarkeit der Steine mit sich bringen.
Warum die Noppen bei den Elementen nach unten gerichtet sind, konnte ich nicht klären.

Über das amerikanische Firmendatenunternehmen Zoominfo konnte ich herausfinden, dass die Firma Polly Kunststoffprodukte 1969 gegründet wurde, also erst vier Jahre nach der Entwicklung der Steine.
Auf der 21. Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg vom 14.02. bis 20.02.1970 wurden Wandelemente vorgestellt, die „ein x-fachen Betrag der Höhe h eines Steckbausteins“ und „eine Tiefe t aufweisen, die einer halben Steckbaustein-Breite B“ besitzen. Dies geht aus einem Dokument zur Eintragung eines Gebrauchsmusters (DE000007009195U) vom 10.03.1970 hervor.

Das Spannende hier: Es handelt sich um die ersten einreihigen Steine, damit sich Wände auf der Innen- und Außenseite in unterschiedlichen Farben bauen lassen. In der Zeichnung lassen sich auch Elemente erkennen, welche Fensteröffnungen aufweisen.
Am 07.02.1975 werden noch zwei weitere Patente eingereicht. Eines (DE000002505108A1) beinhaltet einen Schrägstein und das Andere (DE000002505109A1) einreihige Steine. Im Textverlauf des zweiten Dokuments ist aufgeführt, dass „[…] damit Holzmodelle sehr wirklichkeitsgetreu nachgebaut werden können, ohne die Vorteiler bekannter Steckbausteine in den Variations- und Baumöglichkeiten aufgeben zu müssen“.
In den Jahren 1970 bis 1977 wurden noch Patente in verschiedenen Ländern eingereicht, darunter die USA (US000004030236A), die Niederlande (NL000007601197A), Frankreich (FR000002299889A1) und Spanien (ES000000229843U).


In beiden Einreichungen sind die Steine mit einer „Holzmaserung imitierender Struktur“ versehen. Die Elemente aus der zweiten Eintragung sind außerdem gewölbt, um eine Holzoptik zu erreichen.
Über verschiedene Anzeigen bei Ebay zeigt sich, dass es Polly Hobby, Polly Steckfest und Polly gegeben zu haben scheint.
Nach den Einreichungen aus 1975 gibt´s keine Weiteren. Und da das „Internet“ auch erst 1993 öffentlich wurde, gibt es auch keine Website oder so aus der damaligen Zeit. Über North Data und Zoominfo, fand ich heraus, dass die Firma ebenfalls 1993 vom Sohn Linus Schnabel übernommen und in „Polly Spielwaren GmbH“ umbenannt wurde. Die Firma vertrieb zuletzt Kaufmannsländen als Spielzeug und wurde nach erfolgter Liquidation in 2024 abgemeldet.
Übersicht über Teile und Farben
Die Produktpalette von Polly scheint relativ groß zu sein. Meine Erkenntnisse beschränken sich hier auf den Produktkatalog und verschiedene Ebay-Auktionen.
Bei Ebay stößt man vor allem auf (sehr teure) Teilesets, in denen ein paar einzelne Steine sind, um die eigene Sammlung zu erweitern. Auch Technikteile mit elektrischen Motoren sind zu finden. Neben kleineren Spielfiguren (die ein wenig an H0-Figuren erinnern) gab es auch Brickbuild-Figuren, die sehr an jene aus Legos Homemaker-Serie erinnern.

Es gibt Bricks und Plates. Zwei Plates übereinander ergeben dieselbe Höhe wie ein Brick. Außerdem wurden Slopes hergestellt, die bspw. für Fahrzeuge genutzt wurden, um Windschutzscheiben zu realisieren.

Räder sind quasi Bauteilgruppen. Sie bestehen aus Slopes, mit einer Metallachse, Plastikfelgen und Reifen aus Gummi auch diese gibt´s in verschiedenen Größen und Ausführungen. Auch Türen gibt´s in verschiedenen Größen.

Ich habe mittlerweile Polly-Steine in acht verschiedenen Farben: Blau, Weiß, Rot, Gelb, Olivgrün, Trans-Clear, Hellgrau und Schwarz. Auf den Bildern im Katalog kann ich auch keine weiteren Farben sehen, zumindest zu diesem Zeitpunkt scheint das also die Farbpalette zu sein.

Die Steine halten gut zusammen. Hier und da muss man ein wenig Kraft aufwänden, um die Steine zusammen bzw. auseinander zu bekommen, das kann aber auch auf das Alter zurückzuführen sein. Einige der Steine die ich habe sind miteinander verklebt oder weisen Reste von Kleber auf, ob das aus Stabilitätsgründen oder weil die Steine nicht aufeinander gehalten haben passiert ist, weiß ich aber nicht.
Die Auswahl der Steinformen und der Farben ist im Vergleich zu Lego, Idema und Co jetzt nicht sonderlich anders und vermutlich war es auch für die Kinder gar nicht so schlimm, dass die Steine nicht kombinierbar waren.
Set Review
Bei Ebay habe ich Set 905 bestellt. Den Namen des Sets konnte ich leider nicht mehr rausfinden, würde es aber Stadtvilla mit Garage und Auto nennen.
Das Set hat „über 200 Teile“, wie auf der Packung steht und hatte, laut Preisschild, einen Preis von 11,50 DM (ohne Berücksichtigung der Inflation, wären das heute 5,88€, inklusive der Inflation, wären wir bei 24,47€). Figuren waren nicht enthalten. Die Anleitung befindet sich in acht Schritten unterteilt auf der Rückseite des Kartons.
Für den Aufbau des Sets habe ich gute 30 Minuten gebraucht, was vor allem daran liegt, dass es mich immer wieder irritiert hat, dass die Noppen auf der „falschen“ Seite sind. Hier und da sind auch die Spaltmaße mehr als nur vorhanden, das schiebe ich hier aber auf das Alter der Steine.

Das Auto ist ein kleiner Bau aus 14 Teilen. Die Frontscheinwerfer sind Prints, und die verwendeten Achsen haben ein schönes Spiel, sodass man mit dem Fahrzeug auch gut fahren kann. Ansonsten gibt es aber keine Besonderheiten, es lässt sich keine Tür öffnen oder ähnliches.

Für das Auto gibt es auch eine passende Garage. Als eigenständiges Gebäude realisiert besteht es vor allem aus Wandpanelen. Das Auto passt gut herein, zum Einfahren muss es nur einen kleinen Sprung machen, um auf die Plate zu kommen.
Die Stadtvilla selber ist der Hauptbestandteil des Sets. Als Eckhaus gestaltet, mit zwei Etagen im einen Flügel ist sie architektonisch eigentlich recht interessant. Der Innenraum ist hier natürlich nicht ausgestaltet, man muss sich mit den Außenfassaden und fairerweise auch von Außen damit begnügen, denn öffnen lässt sich das Gebäude auch nicht wirklich, dafür muss man es schon auseinander bauen.

Die Spielfunktionen des Sets belaufen sich also auf das Umherfahren mit dem Fahrzeug und das Einparken in der Garage. Da es von Polly aber Figuren gab, konnte man das Set sicherlich als Ergänzung gut nutzen.
Und man kann aus den Bricks natürlich auch andere Gebäude bauen, einen Mehrwert gibt es also in jedem Fall.
Fazit
Bei so alten Klemmbausteinmarken ist immer der Weg ein bisschen das Ziel. Die Spannung, die man bei einer Recherche hat, das Gefühl einen alten Katalog durchzublättern und zu sehen, welches Angebot eine Firma früher hatte, das ist schon etwas Besonderes.
Die Polly-Steine haben mit ihrer „Kopflage“ das ganze noch etwas spannender gemacht, auch wenn ich die Frage, wieso die Noppen eigentlich nach unten gerichtet sind nicht klären konnte.
Das Set sieht schick aus, war eine kleine Herausforderung im Bau, zeugt aber vor allem von der Besonderheit der Marke und ist damit für mich vor allem ein Sammlerstück.

