Idema – ein deutscher Klemmbaustein
Es ist die Geschichte eines klassischen Dachbodenfunds, die mich auf die Spur von Idema brachte. Einer deutschen Marke aus den 50er, 60er Jahren, die für viele Kinder der damaligen Zeit der erste Berührungspunkt mit Klemmbausteinen war.
Gefunden!
Eine Freundin von mir veranstaltete in einem frisch gekauften Haus einen Hausflohmarkt, um das volleingerichtete Haus etwas leerer zu bekommen. Bei den Vorbereitungen dazu fiel ihr nicht nur eine Kiste Lego in die Hände, sondern auch eine Kiste mit seltsam aussehenden Steinen.
Glück für mich: beide Kisten landeten nicht auf dem Flohmarkt, sondern landeten direkt bei mir.
Mit den Steinen konnte ich zunächst nichts anfangen und auch der auf einer Anleitung abgedruckte Name „Idema“ lies mich ratlos zurück.
Eine kurze Recherche führte mich auf diese Seite und das Abenteuer begann.
Der Erfinder Josef Dehm
Josef Dehm war deutscher Erfinder und Unternehmer zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach seinem Meistertitel gründete er im Baden Württembergischen Rinklingen bei Bretten eine Gießerei.
Von der Vorlage zum Patent
1872 wurde in Deutschland per Gesetz das „Reichsformat“ für Mauerziegel eingeführt. Dabei waren die Maße 25 x 12 x 6,5 cm vorgeschrieben. Hintergrund war eine Standardisierung, da durch den Eisenbahnbau Materialien längere Strecken transportiert werden konnten.
Genau dieses Format, aber um den Faktor zehn verkleinert, nutze Josef Dehm ab 1946 für seine Bausteine. Diese wurden zu Beginn aus Bakelit (dem ersten industriell herstellbaren Kunststoff) hergestellt, später wurde auf Polystyrol umgestellt. Dieser Werkstoff verleiht den Steinen auch einen besonderen Klang, der fast schon als Glas erinnert.
Laut Patentschrift (dazu unten mehr) verfügt der Stein „auf der einen Seite mit der größten Fläche geeignet gestaltete Vorsprünge […] und auf der anderen Seite derartige Vorsprünge aufnehmende Vertiefungen […] dadurch gekennzeichnet, daß (sic) der Stein acht Vorsprünge und acht Vertiefungen aufweist, die symmetrisch in zwei Reihen und derart angeordnet sind, daß (sic) die Achsen zweier nebeneinanderliegender Vorsprünge und zweier nebeneinanderliegender Vertiefungen der einen Reihe und der beiden gegenüberliegenden Vorsprünge bzw. Vertiefungen der anderen Reihe durch die Ecken von Quadraten hindurchgehen und durch die Stirnkanten des Steins solche Quadrate halbiert werden.“.
Abgesehen davon, dass man hier einmal deutlich merkt, wie kompliziert juristische Sprache sein kann, beschreibt dies ziemlich genau das, was wir heute unter einem klassischen Klemmbaustein verstehen.
Patente
Mittlerweile stehen Patente online zur Verfügung, sodass man sich diese durchlesen kann. Dank einer kleinen Hilfestellung des Deutschen Patent- und Markenamtes in München, konnte ich auf der Plattform DEPATISnet nach den Dokumenten suchen.
Dehm hatte das Patent auf seine Steine in verschiedenen Ländern angemeldet, darunter Deutschland (DE000001070420B), Österreich (AT000000205390B), die Schweiz (CH000000355070A), Kanada (CA000000629061A) und Spanien (ES000000057577Y).
Durch die Eingabe der Patentnummern bei Depatis können die Patente angesehen werden.
Das deutsche Patent wurde am 16.06.1952 Angemeldet und am 25.05.1960 erteilt. Bereits am 31.03.1955 wurde ein Zusatz zum Patent eingereicht, welcher am 18.08.1960 erteilt wurde. Die Steine wurden ab 1954 verkauft.
Zum Vergleich, das Patent für den Lego-Stein wurde am 28.01.1958 in Dänemark eingereicht und am 29.01.1962 erteilt (DK000000092683C), in Deutschland wurde das Patent am 09.04.1958 eingereicht (DE000001076007A). Einen kleinen Exkurs zu den Steinen von Kiddicraft habe ich bereits auf dem Blog gemacht.
Die Löcher in den Steinen, durch die die Stäbe gehämmert werden sollen, waren im ursprünglichen Patent noch nicht vorgesehen und folgten erst mit dem Zusatz. Außerdem wird im fünften Patentanspruch von gebrochenen Kanten gesprochen, also dass die Steine nicht scharfkantig sind. Dies lässt sich ebenfalls in den folgenden Bildern schön erkennen.
Aufgrund zahlreicher Erkrankungen konnte Dehm seine Erfindung nicht stetig weiterentwickeln, sodass die Konkurrenzprodukte (u.a. Lego) den Markt übernahmen.
Der Baustein
In der Kiste mit den Steinen war ebenfalls eine Anleitung zu einem Jeep (dazu später mehr). Die Rückseite gibt einen schönen Überblick über das erhältliche Sortiment.
Die Angebotenen Sets kosten zwischen einer und 28 DM und reichen von Teileseits bis hin zu Bausätzen.
Unterschieden wird zwischen Trägersteinen mit 24 bzw. 16 Zapfen
Normalsteinen mit 8, 6, 4 oder 2 Zapfen
Doppelsteine mit 8 oder 4 Zapfen, welche die doppelte höhe der anderen Normalsteine haben
Es gibt auch Doppelsteine mit 4 Zapfen, die Bohrungen für Achsen aufweisen. Die Bohrungen sind dabei verschieden ausgeführt, je nachdem, ob die Achse fest (rechter Stein) oder drehend (linker Stein) sein soll.
Rädern und Rundsteinen
Achsen und Spannstiften
und einreihigen Steinen mit 4,3 oder einem Zapfen. Die einzapfigen Steine gibt es in einer eckigen und einer runden Form.
Außerdem gibt es noch Platten und Fenster- und Türsteine, diese habe ich aber nicht.
Die Steine kommen in fünf Farben daher: weiß, rot, gelb, grün und glasklar
Die Bausteine können ganz normal aufeinander gesetzt werden. Sobald zwei nebeneinander liegende Noppen erfasst sind, ergibt sich durch die Klemmkraft auch ein gewisser halt. Dennoch sieht das System das Stabilisieren mit den gelben Spannstiften (s.o.) vor.
Diese sollen in entsprechender Länger abgebrochen und mit einem Hämmerchen eingetrieben werden. Bei meinen Versuchen und dem Bau des Jeeps war dies nicht nötig. Die Steine halten auch durch das aufeinander bauen, auch, wenn das Fahrzeug sich bewegt.
Nr 350 Jeep
Der Dachbodenfund enthielt eine Vielzahl loser Elemente, aber durch die Anleitung war klar, dass auch ein Set beinhaltet war.
Das Set beinhaltet 64 Teile und kostete 4 DM. In meinem Modell fehlen zwei rote Steine mit zwei Zapfen.
Die Anleitung besteht im Grunde aus einem einzigen Bauschritt, der durch farbige Punkte die genaue Positionierung der einzelnen Baugruppen verrät.
Der Aufbau geht relativ einfach von Statten, wie bereits erwähnt, habe ich die gelben Spannstifte jedoch nicht eingesetzt, da das Modell auch so stabil hält und voll funktionsfähig ist.
Trivia
Am 14.11.1970 hat die Lego Produktion AG aus Baar in der Schweiz sich die Wort- und Bildmarke Idema mit dem Originallogo schützen lassen (Registernummer 884539). Am 14.11.2000 endete der Schutz und die Marke ist seitdem wieder „frei“.
Mit Lego-Steinen kompatibel sind die Steine von Idema nicht.
Fazit
Durch diesen Dachbodenfund hat sich eine spannende Welt aufgetan und sicherlich war es ein kleines Abenteuer zu recherchieren und herauszufinden, was es mit diesen bunten Steinchen auf sich hat. Herausgekommen ist eine spannende Geschichte über einen deutschen Klemmbaustein, der mir vorher nie begegnet war.
Das Bauen mit den Steinen unterscheidet sich im Grunde nicht vom Bauen mit anderen Steinen und mit der gefunden Menge lässt sich auch einiges anfangen. Idema scheint viele Möglichkeiten zu bieten, hatte ein schönes Sortiment und scheint für die Kinder der damaligen Zeit denselben Einfluss gehabt zu haben, wie es Lego in meiner Kindheit hatte.
Quellen
https://www.eichwaelder.de/Altes/altesspiel234.htm
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Josef_Dehm
https://www.deutsches-museum.de/museumsinsel/ausstellung/technisches-spielzeug
Baukästen, Ulf Leinweber, Staatliche Museen Kassel 1999, S. 180 ff.
Bauklötze Staunen, Annette Noschka, Günter Knerr, Hirmer Verlag, Deutsches Museum 1986, S. 114 ff.